Wenn schon eine Heldin, dann im Mittelformat. Ich dachte eher an alte Balgenkameras im Format 6×9 oder zwei-äugige Spiegelreflexkameras im Format 6×6. Dann bekam ich einen Koffer mit der Zenza Bronica ETRSi – ein Traum von einer Kamera, von der ich viel gehört hatte, die ich aber noch nie in der Hand hatte.
Eingeführt wurde die Kamera im 6×4,5cm Format 1977. Die Version ETRSi mit elektronischem Seiko Zentralverschluss und TTL Blitzlichtmessung erschien 1989 und wurde produziert bis Anfang 2000. Mir wurde ein wunderschönes Exemplar mit Zwischenringen, Mattscheibensucher, Prismensucher, Wechselmagazinen, 2 Objektiven u.v.m überreicht. Sauber zerlegt in Einzelkomponenten. Und wie sich herausstellen sollte, funktioniert die Heldin mit 2,8/75mm und 4/40mm Objektiv absolut perfekt.
Den Zusammenbau habe ich nur mit intensivem Studium der Gebrauchsanleitung hinbekommen. Zahllose Knöpfchen, Schalter, Riegel und ein Schieber laden zur Fehlbedienung ein und trotz ausgiebiger Fingerübungen im Vorfeld, ist der erste sorgfältig belichtete Rollfilm gänzlich blank geblieben. Es lag am Schieber im Wechselmagazin, den ich vergessen hatte herauszunehmen, und der versäumt hatte den Auslöser zu sperren (obwohl die Anleitung genau dies verspricht).
Auch sonst erwies sich die Heldin als eher zickig. Das Filmeinlegen fummelig, der Magazinwechsel hakelig, die Belichtungsmessung umständlich, die Sucherscheibe kaum zum Scharfstellen tauglich (ich musste alles mit dem Zollstock nachmessen). Scharfe Bilder sind nur mit Stativ, Spiegelvorauslösung und Drahtauslöser zu erzielen und über die fummelige Spiegelvorauslösung könnte ich endlos Anekdoten erzählen.
Dennoch, Sie merken es schon, die Zenza Bronica hat mich in ihren Bann gezogen. Wird sie von kundiger Hand bedient, belohnt sie die Mühen mit wunderbaren Aufnahmen. Absolut korrekt belichtet, in perfekter Übereinstimmung mit dem Sucherbild, knackig scharf und praktisch verzeichnungsfrei. Die Detailauflösung kombiniert mit der flachen Tiefenschärfe lässt genau die Aura aufleben, die wir vom analogen Mittelformat so schätzen. Bei der Filmentwicklung gibt es allerdings auch viel falsch zu machen. Filmempfindlichkeit, Entwickler, Temperatur, Entwicklungsdauer – das will alles gekonnt auf den Film abgestimmt sein, sonst leidet die Schattenzeichnung, der Kontrast und das Korn. Diese Profi-Heldin will es wissen, ob der Fotograf sein analoges Handwerk beherrscht. Wenn sie mir diesbezüglich meine eigenen Defizite nachsieht, dann verzeihe ich ihr auch ihre Zickigkeit.
Alle Aufnahmen auf FP4 Rollfilm mit ISO 64 belichtet und entwickelt in HC100 Verdünnung H. Die in Foren empfohlenen 12min erwiesen sich als zu lang, 10min bei 20 Grad Celsius ergeben den richtigen Kontrast.