Martin Baumgartner
Ja, diese Zeiss Ikoflex Favorit 887/16 ist schon ne scharfe Nummer.
Diese Zwillingslinsen Kästchen waren mir ja nur aus weiter Ferne bekannt und so war es mir eine grosse Freude endlich mal eine davon auszuprobieren. Irgendwie hatte ich ein klares Gefühl für die Überholtheit dieser Technik. Ein bisschen Recherche im Netz waren nötig um den ersten Einstieg zu finden, dann gings los.
Eine Rolle Farbfilm wurde an einem verschneiten Frühlingstag verknipst und danach auch gleich entwickelt.
Natürlich hatte ich meinen Belichtungsmesser mitgebracht, diese alten Kameras können ja nicht stimmen. Aber, beim Vergleich hat sich gezeigt, der stimmt Haarscharf, oder zumindest so scharf wie die Kamera es zulässt Einstellungen vor zu nehmen. Nach kurzer Zeit habe ich mich an das Handling gewöhnt und als ich auch noch gemerkt habe, wie clever die Blende/Zeit Verknüpfung gestaltet ist, war ich hin und weg. Stellt man bei der Ikoflex die vom Beli angegebenen Einstellungen ein, so kann man danach die Zeit oder die Blende frei umstellen und der Gegenpart geht, aufgrund einer technischen Verzahnung, symmetrisch mit. Fantastisch!
Die entwickelten Bilder waren unterschiedlich, einige waren gut andere schlecht. Aber, und das ist das Relevante, die Schlechten waren schlecht weil ich irgendwelchen Quatsch geknipst habe, an der Kamera lag das nicht. Scharf und korrekt belichtet waren alle und mit scharf meine ich SCHARF. Die Linse, eine Tessar f3.5, ist der Knacker. Super scharf.
Super happy habe ich dann bald noch einen Film durchgeschossen, der kam aber leider Bildlos wieder aus dem Entwickler. Was habe ich falsch gemacht? Habe ich den Film verkehrt herum eingelegt? Kann sein, habe ich im Wechselsack irgendwas falsch gemacht? Kann fast nicht sein. Hat die Chemie was komisches geschluckt? Unmöglich. Ich war mir sicher, das waren die besten Bilder die ich je geschossen hab. Nun, noch einen Film rein und hepp. Und siehe da…. wieder fast nix, ausser ein Frame. Also, der Film muss richtig eingelegt gewesen sein, die Chemie kann es auch nicht gewesen sein und auch der Wechselsack ist unschuldig. Es muss an der Kamera oder an mir liegen.
Nochmals das Manual (von Butkus) studiert und noch nen Film rein. Diesmal ein wenig kitschig mit dem Schiff auf den Vierwaldstättersee. Voll der Oberkitsch, will keiner sehen, aber geht ja jetzt nicht um die Bilder sondern um dieses Foto-Ernst Projekt, also über den Schatten springen und Berge knipsen. Nur, nach dem Entwickeln war wieder ein „leerer“ Farbfilm zum Vorschein gekommen und ein S/W Film mit genau 1 Frame. Ein Bild von 3 Jungs welche mir den Arsch zeigen.
Mein Fazit: Die Kamera ist scharf, in einem hervorragenden Zustand, hat eine Clevere Architektur und sie hat Humor, denn sie zeigt mir erst was sie drauf hat und dann nur noch den Arsch. Irgendwie lustig, aber nicht Haha-Lustig.
Kamera: Zeiss Ikoflex Favorit 887/16 mit Synchro-Compur Verschluss
Baujahr: 1957-60 (die letzte Ikoflex Serie)
Film und Bildformat: 120er Rollfim, 6×6
Linse: Tessar 3.5, 75mm
Eingebauter LVS Belichtungsmesser
Farbbilder: Kodak Portra 160
SW Bilder: Kodak T-Max
Negativscans
Entwicklungstechnisch sind meine Ergebnisse leider noch etwas bescheiden, aber falls jemand reinschauen möchte, sind hier Bilder, welche ich mit der Praktica FX (Brockihaus-Fund) und dem Tessar 50/3.5 geschossen habe:
https://flic.kr/s/aHsksY8LNr
Und hier die Kamera mit dem wundervollen Lichtschachtsucher, der da spiegelverkehrt doch etwas gewöhnungsbedürftig ist (drum die schrägen Pics *g*)..
https://flic.kr/p/DCZQz8
Vorne weg, die Bilder, die was geworden sind, sind toll und lassen das Potential der Kamera erahnen!! Ebenfalls ein guter Bericht! Danke.
Ich habe ein paar Kameras mit Tessar-Objektiven, z. B. Rollei 35, oder als System-Kamera mit Wechselobjektiv, auch eine Praktica FX mit einem 50mm/3.5, mit Vorwahlblende (spannendes Detail). Das Tessar der Praktica ist über 60 Jahre alt und habe ich selten eine so alte, aber dennoch so modern anmutende Linse gesehen. Knackscharf, fast schon klinisch detailliert. Normal stehe ich zwar auf etwas mehr Charakter, aber technisch ist das ein Objektiv der Kategorie „Überformula“. Kein Wunder wurde der Aufbau über Jahrzehnte so beibehalten und auch kein Wunder, dass das klassische Tessar auch gerne Adlerauge genannt wird!
Tessar-Objektive mit M42-Anschluss lassen sich btw auch gut an digitalen spiegellosen Kameras adaptieren.
Das die Kamera so bitchy war, ist natürlich gemein.. Die haben doch normal Lamellen und den Verschluss, also 2 Einheiten. ev. hat der Verschluss manchmal nicht aufgemacht?? Schade. CLA und dann nochmals probieren. Oder – die Kamera an mich verschenken?? <3
PS: butkus.org ist eine wunderbare Quelle für Bedienungsanleitungen! Eine meiner ersten Anlaufstellen beim Kauf einer alten Kamera ,-)